Spuren die unsere Seele beeinflussen.

In einer Stadt mitten In Mecklenburg wuchs ich als Kind mit einem Herzen voller Neugier und einer Seele, die nach Verständnis für die Welt um sich  herum dürstete, heran. Ich hatte eine besondere Gabe: die Fähigkeit,  das Außergewöhnliche in den Menschen zu sehen,  die von anderen oft übersehen wurden.

Eines Tages, als die Blätter der Bäume in leuchtenden Farben spielten und die Luft von einem  frischen Herbsthauch durchzogen war, erzählte mir ein Schützling von seinem Onkel,  der von vielen gemieden wurde. Diese Erzählung weckte in mir eine längst vergessene  Erinnerung an eine Frau, die in meiner Familie als „Tante“ bezeichnet wurde, obwohl sie keine  Blutsverwandte war.

Diese Tante, eine geheimnisvolle Gestalt, die bei Vollmond Kräuter sammelte und deren Wissen  über die Heilkräfte der Natur tief und unergründlich schien, wurde von vielen mit Argwohn betrachtet.  Flüsternde Stimmen nannten sie eine Hexe, und doch fand ich in ihr eine seltsame Vertrautheit,  eine magische Anziehungskraft, die mein kindliche Gemüt fesselte.

Als ich eines Tages, kaum sechs Jahre alt, von einem beunruhigenden Leiden geplagt wurde, war es diese  Tante, die mit einer Flasche selbst angesetzten Schwedenbitters erschien. Mit einer ruhigen Hand und  einem sanften Lächeln verabreichte sie das bittere Elixier, und wie durch ein Wunder verschwand mein Leiden so schnell, wie es gekommen war.

Die Zeit verging, und eines Tages lud die Tante mich in ihr Zuhause ein. Warum, das blieb ein Rätsel, doch was ich dort sah, brannte sich tief in das Gedächtnis ein: Eine Küche, gefüllt mit unzähligen Tiegelchen und Töpfchen, die wie ein  Alchemisten Labor anmutete.  Dort, inmitten von Düften und Geheimnissen, backten wir gemeinsam einen Hefezopf. Der Duft des  frischen Gebäcks, die Wärme des Ofens und das Gefühl, etwas Wunderbares zu erschaffen, blieben  für immer in meiner Erinnerung.

Dieser Tag lehrte mich nicht nur die Freude am Backen, sondern auch eine tiefere Lektion: dass jeder  Mensch, egal wie kurz oder flüchtig die Begegnung, einen unauslöschlichen Eindruck hinterlassen kann.  Ich wuchs heran mit dem Wunsch, bewusst und liebevoll zu handeln,  besonders im Umgang mit Kindern, um ihnen Werte und Erinnerungen zu schenken, die sie ein Leben langbegleiten würden.

Und so, während ich nun, umgeben von meinen Schützlingen und getragen von den Erinnerungen  an die „Tante“ und viele andere, in die Woche starte, bleibt die Gewissheit,  dass die kleinen, feinen Begegnungen im Leben oft die größten Spuren hinterlassen.  ich werde bald mal wieder einen Hefezopf backen als Hommage an die Tante,  die mehr als nur Kräuter hinterließ: Sie hinterließ eine unvergessliche Geschichte der Güte und des Mutes anders zu sein.

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